Kuriositäten

Da die Draht-Erosion total neu war, und niemand so richtig wusste, was damit angestellt werden konnte, wo die Grenzen waren, usw., wurden natürlich viele Fragen (sehr oft die gleichen), immer wieder gestellt. So war z.B. eine der Standard-Fragen immer: "kann der Draht ein weiteres Mal verwendet werden"? Diese Frage wurde selbstverständlich immer mit "NEIN" beantwortet, obwohl es später eine Chinesische Maschine gab, die einen Draht von einer Spule auf eine andere mit sehr hoher Geschwindigkeit ab- und aufwickelte, um am Ende die Richtung umzukehren. Auf diese Art konnte der Draht wohl mehrere Male verwendet werden, die Anforderungen an die Genauigkeit mussten selbstverständlich viel tiefer angesetzt werden.
Im Normalfall wurde dem Interessenten vorgerechnet, wie viel Geld der Draht im Vergleich mit den gesamten Betriebskosten der Anlage darstellte. Dieser Wert lag immer weit unter den Kosten von herkömmlichen Werkzeugen die bei anderen Verfahren eingesetzt wurden.

Einen "Stein" schneiden

Eine der ersten unkonventionellen Anwendungen, die im Versuchs-Raum der Draht-Erosion eintraf, war eine Anfrage eines Instituts in der Schweiz. Ein sorgfältig verpackter "Stein" wurde angeliefert, und jedermann fragte sich, was dieser Aufwand sollte. Bei näherer Betrachtung wurde an einer Seite ein kleiner Einschnitt festgestellt. Nach Anfragen bei dem Institut stellte sich heraus, dass es sich bei dem "Stein" um einen kleinen Meteoriten handelte, und das der festgestellte Einschnitt mit einer normalen Metall-Säge, unter Verwendung von drei neuen Sägeblättern, gefertigt wurde. Es wurde nun angefragt, ob es wohl möglich wäre, diesen Meteoriten in der Länge durchzuschneiden, damit nach dem Plan-Schleifen eine Spektral-Analyse durchgeführt werden kann, um die einzelnen Bestandteile zu ermitteln.
Die Aufgabe erwies sich als geringe Herausforderung, speziell was die Aufspannung und die Strom-Zuführung betraf. Die herkömmlichen Spannmittel, eine Klemme, welche das Werkstück von oben auf den Winkeltisch drückte, konnte nicht ohne Probleme verwendet werden, diese waren für ebene Werkstücke bestimmt. Bei dem Meteoriten kam man auf die Idee, zwischen der Klemme und dem "Werkstück" ein Stück Blei zu verwenden, welches sich durch den Anpress-Druck an die Außenform anpasste und dieses so befestigte. Blei hat leider keine besonderen Eigenschaften was das Leiten von elektrischem Strom betrifft, separate Strom-Zuführungen in Form von Kupfer-Folien mussten zusätzlich angebracht werden, damit die Strom-Übertragung zufriedenstellend stattfand.
War der Meteorit einigermaßen zufriedenstellend aufgespannt, mussten erst Technologien ermittelt werden, die für den Schnitt geeignet waren, die Materialien, die bis dahin geschnitten wurden waren Stahl, Hartmetall, Kupfer, Messing, usw. hier war es etwas absolut exotisches. Bei den ersten Schnitt-Versuchen, als der Draht noch nicht richtig im Eingriff war, erzeugten die Funken ein regelrechtes Feuerwerk, mit entsprechenden mehrfarbigen Funken, zischenden Geräuschen in unterschiedlichen Frequenzen, und einer Unzahl von Drahtrissen. Schlussendlich konnte aber die Aufgabe bewältigt werden und die zwei geschnittenen Hälften konnten wieder sorgfältig verpackt dem Institut zugestellt werden.

Die ersten Phantasien

Die neue Technologie spornte natürlich auch die Phantasie der Maschinen-Bediener an, die wildesten Formen wurden ausgedacht, programmiert und geschnitten.

Der Schnitt eines Namenszugs

Ein Namenszug

Das erste war sicher der Schnitt des eigenen Namenszugs, in allen nur erdenklichen Varianten und allen möglichen Materialien. Diese Ideen wurden verwirklicht während die Maschine mit dem Schnitt eines richtigen Werkstücks beschäftigt war.

Das erste Muster, das mit der Zeit tausendfach geschnitten wurde, war der Umriss der Schweiz, mit dem AGIE Schriftzug im Inneren. Dieses Programm wurde mit äußerst primitiven Mitteln hergestellt: auf eine große Landkarte wurde ein Bogen Millimeter-Papier gelegt und die nötigen Eckpunkte und Verfahr-Wege wurden auf diese Art ermittelt, natürlich in einem Maßstab, der zuerst mit einem Faktor dividiert werden musste um die gewünschten Abmessungen zu erreichen.
Diese Kontur wurde im Versuchs-Raum, nachts und an Wochenenden geschnitten, immer dann, wenn die Maschine nicht für andere Aufgaben belegt war und auf Messen und Ausstellungen wurde es zu einem beliebten Werbegeschenk, das mit Sicherheit noch heute auf Schreibtischen zu finden sind. Es wurden sogar Vorrichtungen hergestellt, damit einzelne Bleche aus Messing oder anderen Materialien zusammengepresst werden konnten, um mehrere Teile im Paket zu schneiden.

Die goldene Schweiz

Die "goldene" Schweiz

Als ein gerades Firmenjubiläum nahte, kam einer der Direktoren auf die Idee, man könnte die Haupt-Aktionäre ja mit einem Geschenk der besonderen Art zu überraschen: der Umriss der Schweiz, mit dem AGIE Schriftzug im Inneren, und dem Anschnitt der in Losone startete. Klar, dies wurde schon über 1'000 Mal geschnitten, aber in 2 mm dickem Rein-Gold? Es wurden also die notwendigen Platten besorgt, die selbstverständlich jeden Abend in einem Tresor aufbewahrt wurden, und die Anzahl der notwendigen "Schweizen" wurden geschnitten. Nachdem die geschnittenen Teile sorgfältig poliert wurden, wurden sie auf einen abgeschrägten und polierten Granit-Ständer aufgeklebt, und beim Jubiläum den Aktionären feierlich überreicht.

Einige künstlerische Phantasien

Wie gesagt, der Phantasie der Anwender waren keine Grenzen gesetzt, im wahrsten Sinne des Wortes, alle Verkaufs-Organisationen programmierten ähnliche Konturen, natürlich mit dem Umriss des eigenen Landes und dem Schriftzug der Vertretung.
Einige Bediener kamen auch auf die Idee, Zusammenleg-Spiele zu schneiden, mit Schriftzügen der Firma, mit den einzelnen Bundes-Staaten, und vieles anderes mehr.

Die original 5 Fr. Münze Die geänderte 5 Fr. Münze

Original 5 Fr.

Das Result

Ein Anwender kam auf eine ziemlich ausgefallene Idee, die unter Umständen nicht ganz legal sein dürfte: er nahm eine im Umlauf befindliche Münze, fertigte darin eine Startbohrung an, und schnitt um den Umriss der geprägten Figur herum, damit ein Hohlraum innerhalb des Ringes entstand. Die größte Schwierigkeit, mit Ausnahme der Programmierung der Kontur, bestand in der sorgfältigen Positionierung der Münze auf der Aufspann-Vorrichtung, damit nicht in unerwünschtes "Fleisch" geschnitten wurde. Nach beendeter Arbeit wurde die Münze noch mit einer Öse versehen, damit sie stolz an einer Halskette getragen werden konnte. Mit diesen beschenkte er anschließend seine Freunde, für sich selber verwendete er aber nicht eine herkömmliche 5 Franken Münze, sondern eine Sammler-Münze aus Gold, dem "Gold-Vreneli".

Das original "Vreneli" Das geänderte "Vreneli"

Original "Vreneli"

Das Resultat

Eine Herausforderung

Eine Herausforderung der besonderen Art kam eines Tages von einer Firma, die mit der Herstellung von Kunstfasern beschäftigt war. 

Die Spinndüse von oben Die Spinndüse in Projektion Das ungefähre Profil
Spinndüse von oben Spinndüse von vorne Das ungefähre Profil

Es sollten Spinndüsen geschnitten werden, mit extrem feinen Schnitten. Die Form des Profils stellte keine sonderlichen Anforderungen an die Programmierer, das größte Problem war die eigentliche Ausführung oder besser gesagt das Einfädeln des Drahtes. Die Spinndüse selber bestand aus einer Runden Scheibe, zirka 10 mm dick, mit einem Absatz von etwa 2 mm. Der Interessent verlangte, dass die gewünschte Form 16 Mal auf einem Kreis verteilt geschnitten werden sollte, die Startbohrungen seien bereits angebracht. Wo? Bei besserem Hinschauen konnten diese Bohrungen ausgemacht werden, zirka 0.05 mm im Durchmesser, an der Stelle angebracht, wo am meisten Platz im Profil vorhanden war (siehe Abbildung oben rechts).
OK, all dies war alles nicht so schlimm, einfach in einem anderen Maßstabs-Bereich, der noch unerforscht war. Die Platte war von unten aufgeweitet, und zwar für jede Öffnung mit einer Bohrung, die das Profil einschließen würde. Diese Bohrungen waren nur so tief, dass eine effektive Schnitt-Höhe von zirka 1 mm übrig blieb.
Nun musste der Bediener einen Molybdän-Draht von 0.03 mm Durchmesser, der eine bestimmte Steifigkeit hat und sich an die Rundung der Rolle "erinnert", d.h. er war immer etwas geschwungen und nicht gerade, in eine Startbohrung von 0.05 mm von unten über die Freiarbeitung eingefädelt werden. War dies endgültig gelungen, musste der Draht noch in der Startbohrung zentriert werden, natürlich von Hand mit den Handrädern, es gab noch keine automatische Funktion für die Ausrichtung des Drahtes. Um diese Aufgabe zu erleichtern wurde ein Gerät eingesetzt, dass mit einem akustischen Signal meldete, wenn ein Strom-Kreislauf geschlossen war. All dies musste dann 16 Mal durchgeführt werden, das Schneiden, wie gesagt, war das kleinste Problem.

Ein Schwergewicht

In ganz anderen Bereichen, obwohl ziemlich ähnlich in der Anwendung, mussten Probleme ganz anderer Natur bewältigt werden. Eine Industrie, welche die Drahterosion ziemlich schnell adoptierte, war die der Herstellung von Aluminium Profilen oder besser gesagt die Fertigung der Strang-Press-Matrizen, die dazu benötigt werden.
Auch hier werden Platten verwendet, in welchen das gewünschte Profil mehrfach hergestellt wird, falls dessen Abmessungen dies erlaubt. Auch hier ist das Werkstück von einer Seite freigearbeitet, in einer Form welche das effektive Profil in etwa ummantelt. Es bestehen jedoch verschiedene markante Unterschiede zwischen diesen zwei Applikationen. Die Profile der Strang-Press-Matrizen sind um ein mehrfaches größer und verlangen andere Toleranzen, die eingesetzten Drähte haben ganz andere Durchmesser, und, ganz wichtig, das Gewicht des Werkstücks ist erheblich höher als bei Spinndüsen.
Der Winkel-Tisch der DEM-15 war für eine Belastung von zirka 10 Kg. ausgelegt, die Strang-Press-Matrizen, die jedoch geschnitten werden sollten, waren um einiges schwerer. Ein Hersteller kam aus diesem Grund auf eine spezielle Lösung, um zu verhindern, dass die Y-Achse des Kreuz-Schlittens zu stark belastet wird, und damit Verformungen und Ungenauigkeiten bei der Bearbeitung zur Folge hatten. Nach dem Aufspannen wurde an dem überstehenden Teil der Kreisförmigen Platte, in welche die Profile geschnitten werden sollten, eine Schraubzwinge befestigt. Daran wurde ein Drahtseil befestigt, welches über eine Rolle an der Decke oberhalb der Maschine und einem Gegengewicht dafür sorgte, dass das übermäßige Gewicht etwas kompensiert wurde.
Eine ausgefallene, aber durchaus praktische Lösung, wie es später immer mehr gab, mit speziellen Aufspann-Vorrichtungen für besonders geformte Teile oder solche die in Mehrfach-Schnitten hergestellt werden mussten weil die Abmessungen zu groß waren, Teilapparate für Formen die sich auf einem Kreis wiederholten, usw., usw.